Ein Wiedersehen mit den Tenharim: Meinen Kooautor Madarejúwa hatte eine Malaria-Infektion ausgeknockt, aber ich konnte ihn kurz treffen – und danach endlich einmal unser Buch in aller Ausführlichkeit und mit einigen Übersetzungen ins Portugiesische am Rio Marmelos vorstellen. Große Party!
„Lange hat mein Volk ein Geheimnis gehütet. Doch die Häuptlinge haben entschieden, dass ich mit dir darüber reden darf. Auf unserem Land, noch hinter dem Kastanienhain von São Luis, leben einige Tenharim wie in der alten Zeit. Wir glauben, dass sie ohne Kleider im Wald herumlaufen. Sie ziehen als Nomaden umher und leben von der Jagd. Nie bleiben sie dauerhaft an einem Ort, vielleicht ein, zwei oder drei Monate lang. Wenn sie jagen, legen sie weite Wege zurück, viel größere Strecken als heutzutage wir. So war das alte Leben der Tenharim.“
Madarejúwa Tenharim
Stimmt die Geschichte, die Madarejúwa hier im Buch erzählt? Gleich war klar, dass diese Information über die «Unkontaktierten» auf dem Gebiet der Tenharim mit etwas Vorsicht zu genießen war. Es gibt keinen eindeutigen Beweise dafür, dass diese Gruppe bis heute noch lebt. Vorsicht ist deswegen angebracht, weil die Häuptlinge im Augenblick ja ein politisches Interesse daran hätten, ein schützenswertes Minivolk auf ihrem Gelände herbeizureden. Sie könnten sich davon Unterstützung von Seiten der Behörden erhoffen. Bei anderen Völkern in anderen Kontexten hat sich das als hilfreiches Druckmittel erwiesen.
Thomas Fischermann sprach mit Madarejúwa Tenharim zuletzt im August 2017, um letzte Fragen zum Manuskript zu klären. Er führte dabei dieses kurze Interview.
Frage: Viele Menschen in Deutschland werden bald lesen, was wir zusammen geschrieben haben. Welche Hoffnungen verbindet das Volk der Tenharim mit dieser Veröffentlichung?
Madarejúwa: Ich hoffe, dass die Menschen unser Volk und seine Geschichte besser kennen lernen. Sie sollen verstehen, dass wir eine lange Geschichte und eine lange Tradition haben. Wir beschützen den Amazonaswald, und deswegen geraten wir in Konflikte mit anderen. Das sollen die Leute wissen, statt nur schnell anhand von aktuellen Ereignissen in den Nachrichten zu urteilen …
Ja, gute Frage. Sie wurde in den vergangenen Tagen häufig gestellt. Gleich im Untertitel des Buches steht ein Satz, der manche Leser verärgert hat:
‚Ein Indianerkrieger aus dem Amazonas erzählt von der Zerstörung seiner Heimat und von den Geistern des Urwalds‘
Wir hatten uns darüber schon einige Gedanken gemacht: der Autor Fischermann, die Lektoren, unsere Berater in Fragen der Anthropologie. Im Buch selber findet sich (auf Seite 187) eine kleine Ausführung dazu. Vor allem in der Fachliteratur ist es heute üblich, von «indigenen Völkern» zu sprechen. Dies wird als politisch korrekter betrachtet als früher gebräuchliche Bezeichnungen wie «Indianer», «Indio» oder auch «Urvölker» und «Eingeborene», die diverse problematische Wortgeschichten aus der Kolonisierung mitbringen.
Cowboys und Indigene: Einige Tenharim-Familien an der Durchfahrtstraße haben sogar Fernseher zuhause stehen
Trotzdem: Am Ende wurde entschieden, dass wir es in diesem Buch nicht so streng halten. Mal abgesehen davon, dass eine politisch korrekte Wortwahl noch selten soziale Probleme aus der Welt geschafft hat: Das Wort „Indianer“ ist nicht so problematisch, wie viele meinen. Anders als im Spanischen hat der Begriff «Índio», also Indianer im Portugiesischen, nicht die gleiche negative Konnotation. Tatsächlich heißt die staatliche Behörde für den Schutz dieser Völker „Fundação Nacional do Índio“.
Den Ausschlag gab schließlich, was Madarejúwa richtig findet. Er bezeichnet sich selber als «Índio», gelegentlich auch als „Indigener“. Die Frage wurde mit ihm für dieses Buch diskutiert, und er hält beide Worte für identisch und keines für derogativ. Wo er selber spricht, wird im Buch seiner jeweils eigenen Wortwahl gefolgt. Wo der Autor Fischermann spricht, zieht er «Indigene» oder «indigene Völker» vor – aber nicht auf dem Titel, wo erst mal jeder verstehen soll, worum es geht. Wörter wie «Indianerreservat» oder «Indianerschutzbehörde» sind so gebräuchlich und werden verwendet.
Auf den Begriff «Eingeborene» wird wegen der diversen negativen Konnotationen im Deutschen verzichtet, obwohl man auch argumentieren könnte, dass das eine ziemlich wörtliche Übersetzung des Begriffes «Indigene» ist. Auf «Urvölker» wird auch verzichtet, weil heute nicht mehr ganz klar ist, wie «ursprünglich» diese Völker sind, und im Verhältnis zu was. Ihre Kultur verändert sich ja ständig weiter, so wie jede Kultur auf der Welt.
In aller Regel wird von «Völkern» gesprochen und nicht von «Stämmen», es sei denn, es ist ausdrücklich ein bestimmter Familienstamm gemeint – etwa dort, wo Madarejúwa von dem gemeinsamen Stammbaum der isoliert lebenden Tenharim und seiner eigenen Verwandtschaft spricht.
„Buchmessefunk“: Hier kann man sich einen Livemitschnitt von der Buchvorstellung bei der Leipziger Messe anhören, mit dem Autor Thomas Fischermann und dem Lektor Dr. Stefan Bollmann.
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